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Leseprobe Rising Phoenix: Thrive

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Dakota

 

​

Nachdem ich die Tür zu Deacons und Landons Haus hinter mir geschlossen und die Alarmanlage wieder scharfgestellt habe, seufze ich erleichtert. Endlich Stille. Und vor allem endlich allein.

 

Der Flug hierher war die Hölle, ich musste Economy fliegen, weil ich so kurzfristig keinen Platz mehr in der First oder Business Class bekommen habe. Für sich betrachtet hätte ich das gar nicht so schlimm gefunden. Aber eingepfercht zwischen einem schnarchenden und nach Tage altem Schweiß stinkenden Kerl sowie einer unaufhörlich auf mich einplappernden Frau in den Sechzigern, war nicht eine Sekunde an Entspannung zu denken.

 

Doch jetzt habe ich himmlische Ruhe und daran wird sich die kommenden zwei Tage auch nichts ändern. Eigentlich wollte ich mich bei Mom und Dad einquartieren, Deacons Vorschlag, zunächst bei ihnen unterzuschlüpfen, um erstmal wieder in Toronto anzukommen, war einfach zu verlockend. Also werde ich während des Urlaubs der Zwillingsbrüder ihre nicht vorhandenen Pflanzen wässern. So sehr ich meine chaotische, große und verrückte Familie liebe, ist man eine Weile von ihnen getrennt, erlebt man beim ersten Aufeinandertreffen danach eine Art Kulturschock.

 

Vor Sonntagabend kehren die Zwillinge nicht von ihrem Kurztrip zurück, bis dahin werde ich weg sein.

 

Ich freue mich, seit ich den Flieger bestiegen habe, darauf, mir einen richtig schönen Allein-Chill-Abend zu machen. Mit einem pflegenden Bad, Körperpeeling, Gesichtsmaske und allem, was sonst so dazu gehört. Um die Zeit für mich abzurunden, werde ich mir eine Pizza bestellen und dann ein paar Filme gucken.

 

Deacons Tipp war echt Gold wert, Doordash lautet der Plan.

 

Ich schleppe meine Koffer die Treppen hinauf und in das Gästezimmer am Ende des Flurs. Während ich das Gepäck dort angekommen aufs Bett hieve, entdecke ich auf dem Kopfkissen eine Mini-Schokoladentafel, unter der ein Zettel liegt.

 

Genieß deine Auszeit hier, fahr runter und lass es dir gutgehen, D.

 

Erst muss ich lächeln, dann werde ich ernst. Dass lediglich Deacon unterschrieben hat, sollte mich nicht wundern, trotzdem versetzt es mir einen kleinen Stich. Sei nicht albern, herrsche ich mich gedanklich an, bei Landon und dir ist alles in Ordnung. Doch was ich beim besten Willen nicht wegreden kann, ist die Tatsache, dass es in den vergangenen Jahren irgendwie seltsam zwischen uns geworden ist. Wahrscheinlich liegt es daran, dass wir nur noch wenig Zeit miteinander verbringen. Rising Phoenix war dazu bei meinen vorangegangenen beiden Besuchen auf Tour, sicher haben wir uns deswegen etwas entfremdet.

 

Dass das für den Rest der Band und mich nicht zutrifft, obwohl ich die auch nicht häufiger sehe, ignoriere ich gekonnt.

 

Ebenfalls, dass ich in den vergangenen Monaten verdammt viel an ihn denken musste. Genauer gesagt seit unserem letzten Wiedersehen auf der Party für Sienna, die schon ewig her ist.

 

Und auf gar keinen Fall liegt es an dieser dummen Sache, zu der wir uns als Teenager haben hinreißen lassen.

 

»Schluss damit!«, sage ich in die Stille hinein und fange an, das, was ich benötige, aus den Koffern auszupacken. Diesen Pfad sollte ich gar nicht erst beschreiten.

 

Sobald ich fertig bin, gehe ich mit meiner Kulturtasche und dem Beautycase bewaffnet in das direkt ans Gästezimmer angrenzende Bad. Dort lasse ich mir Wasser in die riesige Badewanne ein. Ich entscheide mich für einen Orange-Vanille-Badezusatz und gönne mir zunächst ein ausgiebiges Schaumbad. Danach trage ich eine Gesichtsmaske auf, creme mich am gesamten Körper ein, schlüpfe in ein Höschen sowie einen Pyjama und ziehe mir einen flauschigen Bademantel über. Nachdem ich meinen Fußnägeln eine ausgedehnte Pediküre gegönnt und mich meinen Fingernägeln ebenfalls gewidmet habe, husche ich wieder hinüber ins Schlafzimmer und wühle meine geliebten Häschen-Puschen hervor. Zwar haben wir an sich Sommer, aber heute war es eher kühl und mir ist ein bisschen fröstelig.

 

Wieder im Erdgeschoss angekommen bestelle ich mir eine große Pizza mit allem drauf, was mein Herz begehrt. Dem Boten schreibe ich eine Nachricht, dass er ein Extra-Trinkgeld bekommt, stellt er die Pizzaschachtel einfach bloß vor der Tür ab. Ich habe weder Lust, jemanden zu sehen noch sollte ich in meinem aktuellen Wellness-Wohlfühl-Pyjama-Outfit jemandem unter die Augen treten. Wir vereinbaren, dass er mir kurz Bescheid gibt, wenn er da ist, damit ich ihn aufs Grundstück lassen kann, und ich bezahle via App.

 

Im Wohnzimmer mache ich es mir auf der riesigen Couchlandschaft gemütlich, schalte den Fernseher ein und wähle den Streamingdienst aus, den die Zwillinge abonniert haben. Als ich mich zurücklehne, steigt mir der leichte Duft eines Aftershaves in die Nase, genauer gesagt, der von Landons. Er benutzt eine dunklere, intensivere Note, die ich vermischt mit seinem Eigengeruch unter Tausenden erkennen würde, ich … nein, das muss sofort aufhören, diesen Gedanken spinne ich besser gar nicht erst weiter.

 

Energisch scrolle ich durch das Filmangebot, entscheide mich schließlich für einen Liebesfilm, in dem meine ältere Schwester Autumn eine Nebenrolle spielt.

 

Ich habe etwa fünfzehn Minuten des Films hinter mir, da vibriert und klingelt mein Smartphone. Der Doordasher! Schnell flitze ich in den Flur, checke die Sicherheitskamera, entschärfe die Alarmanlage und öffne das Tor für ihn. Über die Kamera der Sicherheitsanlage beobachte ich, wie der Bote die Schachtel ablegt und verschwindet. Erst, als er außer Sichtweite und damit schon fast am Tor ist, reiße ich die Tür auf, hole die Pizza hinein und schließe sie wieder.

 

Im Wohnzimmer angelangt fällt mir siedendheiß ein, dass ich nicht daran gedacht habe, die Alarmanlage wieder scharf zu stellen. Verdammt! Während ich im Begriff bin, mich umzudrehen, höre ich aus dem Eingangsbereich mit einem Mal Geräusche.

 

Ist der Pizzabote etwa zurückgekommen?

 

Hat er was vergessen?

 

Habe ich die falsche Pizza bekommen?

 

Muss ich etwa mit ihm reden?!

 

Vorsichtig setze ich einen Fuß vor den anderen, erstarre jedoch, sobald ich das Knarzen einer sich öffnenden Tür vernehme. Meine Nackenhärchen richten sich auf, näherkommende Schritte verraten mir, dass jemand im Haus ist.

 

Wie gelähmt stehe ich mit der blöden Pizzaschachtel in der Hand da, das Herz schlägt mir bis zum Hals, was soll ich jetzt bloß tun?! Die Pizza nach dem Eindringling werfen und hoffen, dass mir diese Aktion genügend Zeit zur Flucht in meinen Plüschpuschen verschafft?!

 

Als plötzlich Landon und damit ein mir vertrautes Gesicht im Türrahmen erscheint, bin ich zunächst erleichtert, dann denke ich O fuck.

 

»Was machst du denn hier?!«, platzt es verblüfft aus ihm heraus.

 

»Dasselbe könnte ich dich fragen!«, fauche ich ihn an, vollkommen unter Einfluss des Adrenalinschubs.

 

»Ähm, ich wohne in diesem Haus?!«, kontert er so trocken, dass ich unter anderen Umständen jetzt wohl lachen müsste.

 

Aber zum einen wird mir aufgrund seines zunehmend amüsiert wirkenden Gesichtsausdrucks gerade klar, in welchem Aufzug ich vor ihm stehe, zum anderen, dass irgendetwas ganz gewaltig schiefläuft. Über meine eben noch vorhandene Erleichterung legt sich nun Verunsicherung, zusammen mit dem Gedanken, dass ich niemals hier aufgeschlagen wäre, hätte ich gewusst, dass er da ist.

 

Wieso zum Teufel ist er nicht, wie von Deacon behauptet, mit ihm im Urlaub?!

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