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Leseprobe First Love: Warren & Jessie

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Kapitel 1

Jessie

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Ob ich wohl mit einem Mord davonkäme?

 

Seit ich das erste Mal auf Warren getroffen bin, möchte ich ihn regelmäßig umbringen.

 

Okay … bin ich aufrichtig, stimmt das so nicht ganz.

 

Zuerst wollte ich andere Dinge mit ihm machen, aber das tut jetzt nichts zur Sache.

 

Wichtiger ist, wie ich ihn um die Ecke bringe, ohne dass man eine Verbindung zu mir sieht.

 

Muss er praktisch direkt vor meiner Nase mit dieser Erstsemestlerin flirten?!

 

Gut, eigentlich geht die Unterhaltung, soweit ich das anhand der Körpersprache der beiden beurteilen kann, von ihr aus. Er selbst wirkt eher reserviert, zwar freundlich, aber nicht so, als sei er scharf auf sie.

 

Oder will ich mir das einreden, damit ich mich besser fühle? Immerhin hat er mich ähnlich reserviert-freundlich abblitzen lassen … mehrmals. Mit dem Unterschied, dass er zunächst mit mir auf Tuchfühlung gegangen ist, um dann einen Rückzieher zu machen.

 

Heißmachen, herumknutschen, kaltstellen.

 

Drei Worte, die es perfekt zusammenfassen.

 

Seine Küsse und Berührungen haben keinen Zweifel daran gelassen, dass er an mir interessiert ist, aber letztlich habe ich keinen Plan, was tatsächlich in seinem Kopf so vor sich geht.

 

»Überlegst du etwa wieder, wie du Warren tötest?«, dringt die Stimme meiner besten Freundin Allie in meine Gedankengänge. Sie seufzt, als ich zu ihr sehe und bloß mit den Schultern zucke. »Ehrlich, ihr solltet euch endlich aussprechen und klären, was da zwischen euch ist. Dieses ständige Hin und Her hält doch kein Mensch aus. Wie viele Semester quält ihr euch und vor allem euer Umfeld jetzt damit?«

 

»Zu viele«, wirft jetzt auch noch meine Freundin Faye ein und lächelt entschuldigend. »Und das sage ich als Newbie in eurer Truppe. Was genau ist eigentlich im vergangenen Semester zwischen euch passiert? Du machst seit dem Morgen, an dem du nach einem Streit mit Warren türenknallend aus der WG geflohen bist, ein Staatsgeheimnis daraus, dabei hast du davor offensichtlich die Nacht mit ihm verbracht.«

 

»Bei ihm«, korrigiere ich sie, denn Sex hatten wir nicht. Energisch schüttele ich den Kopf und dränge die Erinnerung an Warrens Abfuhr schnell zurück. »Es muss ein nicht nachweisbares Gift sein, das sollte für mich als Chemiestudentin allerdings das geringste Problem sein«, überlege ich laut und ignoriere bewusst die Frage.

 

Allies amüsiertes Augenverdrehen ignoriere ich ebenso wie Fayes leises Auflachen. Mit zusammengekniffenen Augen verfolge ich, wie das Erstsemester, das gerade so unverhohlen mit meiner Nemesis flirtet, gekünstelt kichert.

 

»Nicht, dass ich dich auch noch bestärken möchte, aber die Mordwaffe ist das Eine, das Fortschreiten der Technik und immer neue Methoden der Spurenanalyse das Andere. Daran sind schon viele gescheitert und letztlich doch erwischt worden«, argumentiert Allie berechtigterweise, nun ganz die künftige Juristin. Nach ihrem Bachelor wird sie sich an diversen Law Schools bewerben und später sicher eine ausgezeichnete Anwältin abgeben. »Wenn du es schon durchziehen willst, dann sorg lieber dafür, dass die Leiche nicht gefunden wird. Keine Leiche, kein Fall … oder eher kein Mordfall.«

 

»Säure! Die beste Freundin der mordlüsternen Chemiestudenten«, rufe ich triumphierend aus, dann nehme ich meine beste Freundin ins Visier. »Von dir erwarte ich, dass du mir beim Transport seines toten Körpers zum Säurebehälter hilfst.« Nachdenklich tippe ich mir mit dem Zeigefinger gegen die Lippen. »Eigentlich könnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und ihn in das Säurebad schubsen. So brauche ich keine Hilfe und du wärst in dem Fall raus und könntest alles abstreiten. Warren würde ich unter irgendeinem Vorwand dorthin bestellen.«

 

»Muss ich mir Sorgen um dich machen?« Allie streckt ihren Arm quer über den Tisch und schnippt mir kurz gegen die Stirn. »Diese Mordpläne gehen mir allmählich entschieden zu weit und auch zu sehr ins Detail.«

 

Lachend winke ich ab. »Quatsch, es macht mir bloß Spaß, mir vorzustellen, wie ich Warren Peabody ein für alle Mal loswerde. Mich nie wieder mit ihm befassen zu müssen, wäre zu schön.« Leider haben wir einen gemeinsamen Freundeskreis, der uns zwangsläufig regelmäßig zusammenbringt. »Aber na ja, nach Beendigung des Studiums an der Jefferson muss ich ihn nicht wiedersehen, bis dahin werde ich seine Gegenwart wohl irgendwie ertragen.«

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Als würde er spüren, dass wir von ihm sprechen, wendet Warren in diesem Moment den Kopf in unsere Richtung. Unsere Blicke treffen sich und obwohl ich es nicht will, schaffe ich es nicht, wegzuschauen. Stattdessen lasse ich mich von dem plötzlich hungrigen Ausdruck in seinem gefangen nehmen und … halt, stopp, nein! Ich werde mich jetzt nicht wieder daran erinnern, wie es sich anfühlt, ihn zu küssen oder von ihm berührt zu werden. Danach gab’s jedes Mal eine eiskalte Dusche, ich sollte diese Lektion endlich gelernt haben. Nein, falsche Formulierung, ich habe sie gelernt.

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Dieses Semester soll alles anders werden. Es muss einfach.

 

Ich werde mich ganz auf das Studium fokussieren, weder Warren noch sonst irgendwelche Jungs haben da Platz.

 

Keine Männer, das ist mein Vorsatz! Erst recht keinen, der ohnehin nicht weiß, was er will.

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Genau, Warren und sein verfluchtes Heiß-Kalt-Spiel können mich mal.

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Hitzige Küsse und Herummachen, um dann doch wieder abzublitzen, das brauche ich nicht.

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»Du siehst aber nicht so aus, als wäre er dir egal.« Faye kräuselt die Nase und streicht ihre Haare zurück. »Wie auch immer, ich muss los, Ridley wartet sicher schon auf mich.« Mit diesen Worten steht sie auf und schultert ihre Umhängetasche.

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Allie und ich tauschen ein wissendes Grinsen.

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»Wo wollt ihr es heute treiben?«, bohre ich nach.

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Zugegeben, ich bin ein bisschen neidisch, weil sie im Gegensatz zu mir ein Liebesleben hat. Wann ich das letzte Mal … lassen wir das.

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Faye reißt erschrocken die Augen auf. »Woher … wie … also … warum weißt du, was wir vorhaben?!«, stottert sie und wird rot, dabei ist sie sonst eigentlich nicht schüchtern.

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»Die Sex-Vorfreude war dir überdeutlich anzumerken, du hast immer so einen ganz gewissen Glow, wenn du dich mit Ridley triffst, um an verbotenen Orten mit ihm zu vögeln.« Ich kichere und trinke von meiner Coke. »Keine Sorge, kennt man dich nicht, merkt man es nicht.«

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Fayes Wangen werden noch roter. »Aber wir haben niemandem von diesem Deal erzählt?!«

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Ich schmunzele in mich hinein. »Musstet ihr auch nicht, jeder von uns hat euch inzwischen irgendwie, irgendwo mehr oder weniger in flagranti erwischt. Da du damals verkündet hast, dass du dir für Ridley was überlegen wolltest, damit er einen Anreiz hat, clean zu bleiben, war’s recht schnell klar.«

 

Wir alle sind froh, dass Fayes Freund, der während der Highschoolzeit und danach mit diversen Problemen zu kämpfen hatte, sich letztlich gefangen hat. Die unkonventionelle Abmachung, die er mit Faye getroffen hat, ist ein zusätzlicher Ansporn für ihn.

 

Allie pflichtet mir mit einem Nicken bei und erhebt sich ebenfalls. »Sorry, Shane und ich wollen heute Nachmittag an den Strand, ich sollte mich allmählich auf den Weg machen.« Sie überlegt kurz. »Komm doch mit«, wendet sie sich an mich. »Ich bin mir sicher, er hätte nichts dagegen, ich …«

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»Nein, o Gott, ich spiele garantiert nicht das fünfte Rad am Wagen, wenn ihr zwei Pärchenzeit habt«, wehre ich ihren Vorschlag rasch und mit einem Lächeln ab. »Ich esse schnell zu Ende und dann verschwinde ich ohnehin wieder ins Labor. Zerbrich dir also bitte nicht meinetwegen den Kopf.« Ihre Miene ist zweifelnd, weswegen ich nochmal bekräftigend nicke. »Wirklich, ich habe einen Arsch voll Arbeit. Selbst, wenn ich wollte, ich könnte nicht.«

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Das ist zwar glatt gelogen, denn ich habe ganz strebermäßig schon in den Semesterferien vorgearbeitet, soweit ich das konnte. Aber ich möchte Shane und ihr die Zeit zu zweit nicht mit meiner Anwesenheit versauen.

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Wir verabschieden uns voneinander und ich konzentriere mich auf den mittlerweile nur noch lauwarmen Brokkoli-Auflauf vor mir. Erst, als ein Schatten auf mich fällt, sehe ich wieder auf und stöhne prompt genervt, ungeachtet der Tatsache, dass mein Herz bei Warrens Anblick gleich ausflippt.

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»Darf ich mich setzen?«, fragt er, obwohl er genau das bereits macht.

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»Tu dir keinen Zwang an«, nuschele ich betont gleichgültig, während ich mich insgeheim frage, was er von mir möchte. »Wo ist dein Anhang?«

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Warren runzelt verwirrt die Stirn. »Wen meinst du?«

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»Na, das Erstsemester-Häschen, das dir gerade so schmachtend an den Lippen gehangen hat«, erkläre ich in einem Tonfall, als sei er besonders begriffsstutzig.

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Auf seinem Gesicht bildet sich ein Lächeln und ich versuche, nicht auf das sich auf seiner linken Wange daraufhin zeigende Grübchen zu starren.

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»Bist du etwa eifersüchtig?«

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Aufseufzend schüttele ich den Kopf. »Wieso sollte ich?«

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Warren stützt seinen rechten Ellenbogen auf dem Tisch auf und das Kinn in seine Hand. »Jessie, können wir nicht endlich mal wie zwei normale Menschen über das reden, was zwischen uns zuletzt vorgefallen ist? Das Ganze war ein Missverständnis, das ich dir gern erklären würde.«

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So kann nur ein Psychologiestudent reden, oder? Ich sage, er hat die Gelegenheit genutzt, um sich mal wieder aus der Affäre zu ziehen. Wie auch immer, das Ganze ist inzwischen zwar Monate her, aber mir ist diese Nacht in der WG beziehungsweise in erster Linie der Morgen danach trotzdem noch überaus peinlich. Und daran zu denken, macht mich wütend. Auf Warren, auf Männer im Allgemeinen, doch vor allem auf mich selbst. Dies war echt der schlimmste Rückzieher überhaupt, und von Warren habe ich weiß Gott mehr als einen erlebt.

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»Und ich sage dir gern noch einmal, dass das unnötig ist. Ich bin fertig mit mit dem, was auch immer da mal zwischen uns war. Dieser Funke ist schon vor langer Zeit erloschen und ich bin deshalb nicht daran interessiert, mir deine Erklärungen anzuhören.«

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Von wegen, Ausflüchte, nichts sonst hat er auf Lager. Jedes Mal, wenn ich mich auf eines dieser Gespräche eingelassen habe, kam nichts anderes dabei heraus.

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Warrens Miene verdunkelt sich, gleichzeitig fixiert er mich so entschlossen, dass sich das bisher nur latent vorhandene Kribbeln in meinem Nacken verstärkt. Wie ich es hasse, dass auch das immer noch da ist, obwohl ich doch den Entschluss gefasst habe, Jungs von meiner Agenda zu streichen. Ganz allgemein, und diesen unverschämt attraktiven Psychologiestudenten im Besonderen.

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Seine graublauen Augen funkeln vielsagend, ehe er weiterspricht. »Ich glaube dir kein Wort.«

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»Das ist nicht mein Problem, Warren. Ich hatte lange, aufregende Semesterferien und ausreichend Zeit, um dich ein für alle Mal aus meinem Kopf zu verbannen. Dieses Studienhalbjahr konzentriere ich mich ganz auf meine Kurse, keine Ablenkungen in Form von Jungs.«

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O Himmel, wieso sage ich ihm das eigentlich?! Und was meine ach so aufregenden Semesterferien angeht, ich bin in Westerville, dem Städtchen im Bundesstaat Ohio, aus dem sowohl Allie als auch ich stammen, vor Langeweile beinahe umgekommen. Aber soll er ruhig denken, dass ich es habe krachen lassen.

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Warren wirkt kurz, als hätte ihn meine Ansage tatsächlich aus dem Konzept gebracht. Doch dann räuspert er sich und hat wieder diesen selbstsicheren Gesichtsausdruck, der mir wohl vermitteln soll, dass er mir auch das nicht abkauft.

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»Interessiert dich, welchen Entschluss ich für dieses Semester gefasst habe?«, erkundigt er sich und reibt sich über den sexy Dreitagebart, den er sich neuerdings stehen lässt.

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»Nicht wirklich«, antworte ich gelassen, obwohl ich eigentlich vor Neugierde platze. Ich esse den letzten Rest des Auflaufs, räume den Teller sowie die beinahe ausgetrunkene Coke auf das Tablett und erhebe mich. »Mach’s gut, Warren.« Mit diesen Worten schnappe ich mir meinen Rucksack, hänge ihn mir über die Schulter und nehme das Essenstablett in die Hand.

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Schnell mache ich auf dem Absatz kehrt, bringe das Tablett weg und verlasse die Mensa, ehe ich noch etwas sage oder tue, das mir meinen Sieg zunichte macht.

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1:0 für mich, nimm das, Warren Peabody!

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